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Warum darf man in klinischen Prüfungen keinen Grapefruitsaft trinken?

Warum darf man in klinischen Prüfungen keinen Grapefruitsaft trinken?

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Warum darf man in klinischen Prüfungen keinen Grapefruitsaft trinken?
Warum darf man in klinischen Prüfungen keinen Grapefruitsaft trinken?
Tanja Rautenberg
27.4.2022

Als Erstes vorneweg: das betrifft nicht alle klinischen Prüfungen. Ihre Prüfärzt:innen werden Ihnen mitteilen, wenn Sie während einer klinischen Prüfung auf bestimmte Nahrungsmittel, Getränke oder auch Medikamente verzichten müssen.

Klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln werden durchgeführt um Kenntnisse über deren Wirkung im menschlichen Organismus zu gewinnen. Wir möchten ermitteln, welche Wirkung eine bestimmte Dosis des getesteten Wirkstoffes entfaltet. Hierbei möchten wir die möglichen Einflussfaktoren so gering wie möglich halten. Deswegen bemühen wir uns möglichst homogene Stichproben, also Menschen, die sich nur wenig unterscheiden, in eine klinische Prüfung einzubeziehen. Sonst könnten Wirkunterschiede vorgetäuscht werden, für die es eigentlich einen anderen Grund gibt. 

Die letztendlich erreichte Konzentration eines Wirkstoffes im menschlichen Körper hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Wie wird der Wirkstoff im Körper freigesetzt (Freisetzung)
  • Wie wird der Wirkstoff vom Körper in den Blutkreislauf aufgenommen (Resorption) 
  • Wie verteilt sich der Wirkstoff im Körper auf die verschiedenen Gewebe und Körperflüssigkeiten (Verteilung) 
  • Wie wird der Wirkstoff im Körper verstoffwechselt (Metabolismus) 
  • wie wird der Wirkstoff aus dem Körper ausgeschieden (Ausscheidung) 

Wie schnell ein Wirkstoff freigesetzt wird, hängt von seiner Zusammensetzung ab, z.B. wie schnell sich die Hülle einer Arzneikapsel auflöst. Dies wird bereits vor der klinischen Prüfung vom Hersteller bedacht und ist dann für alle Dosierungen in einer klinischen Prüfung einheitlich.

Die Resorption ist aber auch von den individuellen Bedingungen abhängig. Sie wissen sicherlich, dass es Medikamente gibt, die man nur auf leeren Magen einnehmen soll. Oder vielleicht haben Sie schonmal in einer Packungsbeilage gelesen, dass bei einem Medikament die Kombination mit bestimmten Nahrungsmitteln (wie z.B. Milchprodukten) vermieden werden soll. Aber auch eine schnellere Passage durch den Magen-Darm-Trakt z.B. bei einer Durchfallerkrankung kann die Aufnahme eines Wirkstoffes in die Blutbahn stören.

Für die Verteilung des Wirkstoffes im menschlichen Körper gibt es zum einen Einflussfaktoren direkt durch die chemischen Eigenschaften des Wirkstoffes, z.B. ob er wasser- oder fettlöslich ist. Zum anderen besteht aber auch eine Abhängigkeit von dem im Körper verfügbaren Flüssigkeitsvolumen oder zur Gewebemasse, auf die sich der Wirkstoff verteilen kann. Deswegen spielen Körpergröße und Körpergewicht auch eine Rolle bei der Auswahl geeigneter Proband:innen. Manche Wirkstoffe werden im Körper auch an Transporter-Eiweiße gebunden, so dass auch deren Konzentration im Körper eine Rolle spielen kann.

Auch die Verstoffwechselung im Körper ist von diesen Faktoren wie Eiweißbindung, Fettlöslichkeit beeinflusst. Unsere Leber ist unser größtes Stoffwechselorgan und übernimmt es Produkte unseres Stoffwechsels, aber auch Gift- und Arzneistoffe abzubauen. Auch die Darmschleimhaut spielt beim Stoffwechsel eine wichtige Rolle. Hierbei kommen Enzyme zum Einsatz. Enzyme sind körpereigene Eiweiße sogenannte Bio-Katalysatoren, die Stoffwechselvorgänge ermöglichen oder beschleunigen ohne dabei selbst verbraucht oder verändert zu werden. Für den Abbau von Arzneistoffen sind die Enzyme Cytochrom P450 (CYP) von besonderer Bedeutung und die Hälfte aller Arzneimittel werden von einem ganz speziellen Enzym aus der Gruppe der Cytochrome, nämlich CYP 3A4, abgebaut.

„CYP 3A4“ behalten wir im Hinterkopf derweil wir uns weiter auf den Weg zur Ausscheidung eines Arzneistoffes machen. Wirkstoffe können also von der Leber über die Gallenflüssigkeit in den Darm und dann mit dem Stuhlgang ausgeschieden werden. Oder sie werden über die Nieren in den Urin abgegeben und mit dem Wasserlassen aus dem Körper ausgeschieden. Dies ist natürlich vereinfacht dargestellt und Abbauprodukte können z.B. auch über die Haut oder Lunge ausgeschieden werden. Aber es wird deutlich, dass die normale Funktion der Leber, der Gallenblase und der Nieren innerhalb einer klinischen Prüfung sehr wichtig ist. Häufig ist eine normale Funktion von Leber und Nieren eine Eingangsvoraussetzung zu klinischen Prüfungen.

Nachdem wir uns jetzt dem allgemeinen Weg eines Arzneistoffes durch den menschlichen Körper (und bei Tieren ist es nicht viel anders) gewidmet haben, will ich nun nochmal zum „CYP 3A4“ zurückkommen. Denn dieses Enzym ist der Angelpunkt in Bezug auf die Grapefruit. In der Grapefruit und in geringem Maße auch in anderen bitteren Zitrusfrüchten (wie Pomeranzen, auch Bitter- oder Sevilla-Orangen (Citrus aurantium), und Pomelo (Citrus maxima) finden sich besondere Bestandteile, sogenannte Flavonoide. Das sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe und können das CYP 3A4 dauerhaft in seiner Funktion blockieren, so dass der Abbau eines Arzneistoffes vermindert wird und der Blutspiegel des Medikamentes dadurch steigen kann. Der Genuss von Grapefruitsaft oder -fruchtfleisch kann also eine stärkere Arzneiwirkung verursachen. Die Einnahme einer Arznei zu einem anderen Zeitpunkt als dem Genuss von Grapefruit macht übrigens keinen Unterschied, weil der Stoffwechsel bis zu drei Tage gestört bleibt. Die Vergleichbarkeit der Arzneimittelwirkung zwischen verschiedenen Proband:innen, die Grapefruit essen bzw. trinken oder jenen, die Grapefruit wegen der bitteren Note überhaupt nicht mögen, ist also nicht mehr gegeben.

Wie bereits erwähnt gibt es auch viele andere Nahrungsmittel, die einen Einfluss auf die Verstoffwechselung von Medikamenten nehmen könnten. Nun haben Sie das Prinzip verstanden und wissen warum es wichtig ist, sich in einer klinischen Prüfung, aber auch wenn Sie im Alltag Medikamente einnehmen, an solche Einschränkung zu halten. 

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Warum darf man in klinischen Prüfungen keinen Grapefruitsaft trinken?
Tanja Rautenberg
27.4.2022