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Von Kühlboxen, Thermometern und Zahlencodes: Arzneimittelsicherheit in klinischen Studien

Von Kühlboxen, Thermometern und Zahlencodes: Arzneimittelsicherheit in klinischen Studien

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Von Kühlboxen, Thermometern und Zahlencodes: Arzneimittelsicherheit in klinischen Studien
Von Kühlboxen, Thermometern und Zahlencodes: Arzneimittelsicherheit in klinischen Studien
Anna Wieczorek-Voigt
8.10.2021

Vorsicht, sensibel!: Transport und Aufbewahrung von Arzneimitteln

Wussten Sie, dass Arzneimittel äußerst empfindliche Produkte sind? Man muss sehr vorsichtig mit ihnen umgehen! Das beginnt schon beim Transport vom so genannten Sponsor (Auftraggeber/in einer klinischen Studie) zu uns ins Studienzentrum: Die zu testenden Arzneimittel – Prüfmedikamente oder auch Prüfarzneimittel genannt – befinden sich in Kühlboxen, die wiederum Thermometer enthalten. Mit diesen kontrollieren wir als Studienpersonal nach der Ankunft, ob die vorgeschriebenen Lagerungstemperaturen während des Transports konstant waren. Die Arzneimittel werden immer in versiegelten Verpackungen geliefert, die niemand Unbefugtes öffnen kann. Grundsätzlich führen wir über alle gelieferten Arzneimittel genauestens Protokoll und berichten den Sponsoren, ob sie unbeschädigt bei uns angekommen sind.

Weiter geht es mit der Aufbewahrung der Arzneimittel bei uns im Studienzentrum – auch die ist streng reglementiert! Wir bei emovis haben einen separaten Medikamentenraum mit Kühlschränken. Zur Aufrechterhaltung der Arzneimittelsicherheit und -qualität müssen wir sehr spezifische Lagerungsbedingungen beachten: So geben uns die Sponsoren exakt vor, bei welchen Temperaturen ihre zu testenden Arzneimittel aufzubewahren sind. Da gibt es große Unterschiede: Während manche Arzneimittel bei Zimmertemperatur gelagert werden müssen, beträgt die vorgeschriebene Temperatur bei anderen bis zu 8 Grad Celsius – darum haben wir nicht nur einen Kühlschrank, sondern mehrere.

Wie wir die Einhaltung der vorgeschriebenen Lagerungstemperaturen kontrollieren? Jeder unserer Kühlschränke und auch der gesamte Medikamentenraum besitzen jeweils ein Thermometer. Damit auch wirklich nichts schiefgehen kann, liest unsere IP-Beauftragte (IP steht für Investigational Product bzw. Prüfmedikament/Prüfarzneimittel) die Thermometer tagtäglich ab und vermerkt jeweils die aktuelle, höchste und niedrigste Temperatur. Darüber hinaus ist unser Medikamentenraum klimatisiert – das ist wichtig, damit die Raumtemperatur insbesondere durch hitzige Sommertage nicht beeinflusst wird bzw. unabhängig von der Jahreszeit konstant bleibt.

Unser Medikamentenraum ist selbstverständlich immer verschlossen, und zwar mit einem Türcode, den nur bestimmte emovis-Mitarbeiter:innen kennen. Warum das wichtig ist? Damit niemand Unbefugtes einfach so und unbemerkt Arzneimittel entnehmen und sich selbst und/oder andere Personengefährden kann.

Aufklären und Tabletten zählen: Kontrolle der korrekten Einnahme

In manchen klinischen Studien werden die Patient:innen gebeten, das Prüfmedikament selbstständig, beispielsweise in Tablettenform, einzunehmen. In solchen Fällen müssen wir als Studienpersonal bei allen Patient:innen ganz genau im Auge behalten, ob die Einnahme korrekt bzw. den jeweiligen Vorgaben entsprechend erfolgt. Wie uns das gelingt? Zum einen erhalten Patient:innen von uns üblicherweise keinen Vorrat des Prüfmedikaments – wir geben ihnen immer nur die Menge, die sie bis zu ihrer nächsten Visite in unserem Studienzentrum benötigen. Zum anderen nehmen sich unsere Prüfärzt:innen (so heißen die in klinischen Studien verantwortlichen Ärzt:innen) genug Zeit, um alle Patient:innen gründlich aufzuklären, beispielsweise über die jeweilige vorgeschriebene Einnahmehäufigkeit und Einnahmedosis des Prüfmedikaments. Darüber hinaus müssen Patient:innen bei jeder Visite die Medikamentenpackungen bei uns abgeben – auf diese Weise können wir die Tabletten zählen. Sollten wir dabei Auffälligkeiten feststellen, beispielsweise, dass das Prüfmedikament an einem Tag nicht ordnungsgemäß eingenommen wurde, sind wir dazu verpflichtet, nach dem Grund zu fragen und dies zu dokumentieren.  

 

Prüfmedikament versus Scheinmedikament: die placebo-kontrollierte Studie

Bestimmt haben Sie schon mal vom Placebo-Effekt gehört. In manchen klinischen Studien – den sogenannten placebo-kontrollierten Studien – wird dieser Effekt als Kontroll- bzw. Vergleichsmittel eingesetzt. Im Gegensatz zum Prüfmedikament enthält ein Placebo keinerlei medizinische Wirkstoffe, weshalb man auch von Scheinmedikament spricht. Der Vorteil einer placebo-kontrollierten Studie: Die vom Placebo ausgehende Wirkung ist psychisch beeinflusst – dadurch lässt sie sich gut von einer tatsächlichen Arzneimittelwirkung des Prüfmedikaments unterscheiden bzw. mit dieser vergleichen.

Wie läuft eine placebo-kontrollierte Studie ab? Die Patient:innen werden in verschiedene Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe erhält das zu testende Prüfmedikament, die andere Gruppe das Placebo. Wir vom Studienpersonal haben darauf keinen Einfluss – die Gruppenzuteilung erfolgt elektronisch per Zufallsprinzip (das nennt man randomisierte Zuteilung). Die Patient:innen – und üblicherweise auch das Studienpersonal – wissen während der Durchführung der Studie nicht, wer in welcher Gruppe ist. Dadurch kann man eine Verfälschung der Studienergebnisse, ausgelöst durch persönliche Einstellungen oder Erwartungen seitens der Patient:innen und/oder des Studienpersonals, so gut es geht verhindern.

Aber keine Sorge: Trotz dieser Technik, die sich doppelte Verblindung nennt, kann es nicht zu Verwechslungen kommen. Warum? Weil das Prüfmedikament und das Placebo sich zwar in gleich aussehenden Verpackungen befinden, diese aber vom Sponsor jeweils einen eindeutigen Zahlencode erhalten haben. Das Studienpersonal kennt also die beiden Zahlencodes, weiß aber während der Studie nicht, welcher zum Prüfmedikament und welcher zum Placebo gehört. Natürlich haben die Patient:innen nach Ende ihrer Studienteilnahme das Recht zu erfahren, in welcher Gruppe sie waren bzw. ob sie das Prüfmedikament oder das Placebo erhalten haben.

 

Übriggebliebene Prüfmedikamente – und nun?

Grundsätzlich kann es bei jeder klinischen Studie passieren, dass Studienteilnehmer:innen vorzeitig ausscheiden. So haben beispielsweise alle Patient:innen das Recht, ihre Studienteilnahme jederzeit zu beenden. Ihre Entscheidung müssen sie übrigens nicht begründen und sie haben auch keinerlei negative Folgen zu befürchten. Patient:innen, die ihre Studienteilnahme abbrechen, müssen jedoch nicht eingenommene Dosen des Prüfmedikaments in unser Studienzentrum zurückbringen – das dokumentieren wir ganz genau. Die Menge der Prüfmedikamente, die übrig geblieben ist, schicken wir dann an die Sponsoren zurück.  

 

Fazit: Arzneimittelsicherheit – viele Regeln aus gutem Grund

Als Projektmanagerin in einem Studienzentrum kann ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, versichern: Klinische Studien lassen sich nicht mal ebeneinfach so durchführen! Jede Studie muss akribisch geplant werden und es sind viele Regeln zu beachten – unter anderem, wie Sie gerade gelesen haben, hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit. Und das aus gutem Grund: Das Wichtigste in jeder klinischen Studie ist und bleibt der Schutz bzw. das Wohlergehen der an der Studie teilnehmenden Patient:innen.

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Anna Wieczorek-Voigt
8.10.2021